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Eine Reise ohne Abschied…

omi hand halten

Liebe Omi,

das erste Mal konnte ich mich vor einer Reise nicht von Dir verabschieden und Dir danach auch nicht von meinen Erlebnissen berichten. Du bist nicht mehr da und ich merke, dass Du mir an allen Ecken fehlst.

Nach 13 Stunden Flug bin ich im Oktober aus Singapur kommend gelandet. Nachdem ich meinem Rucksack vom Gepäckband genommen habe, gehe ich in Richtung Ausgang. Kurz bevor sich die Türen öffnen, muss ich schlucken. Im Schnelldurchlauf erlebe ich die Situation von vor sieben Monaten noch einmal:

Eigentlich wollte Papa mich abholen, aber dann wartet hinter der Türe die ernst dreinblickende Schwester. Trotz der vielen Menschen fällt mein Blick sofort auf Sie und mir ist klar, es ist etwas passiert. „Was ist mit Papa?“ frage ich Sie.  Sie nimmt mich einfach in den Arm und sagt, dass es Papa gut gehe, Du liebe Omi aber an diesem Tag für immer eingeschlafen bist.

So oft habe ich vor Reisen über diese Situation nachgedacht, nur dieses eine Mal, für diese eine Woche, habe ich so gar keinen Gedanken daran verschwendet. Es ging Dir doch gut.

Welche Angst hatte ich vor diesem Moment. Die Worte der Schwester hallen in meinem Ohr und sehe mich selbst nur noch von „außen“. Ich kann nicht weinen, bin ruhig und bemerke nur immer wieder die Blicke der Schwester, die versuchen meine Reaktion einzuschätzen. Ich kann es zunächst einfach nicht begreifen. Du nicht mehr da, das kann einfach nicht sein. Erst ein paar Tage später kann ich weinen und trauern.

Als ich dieses Mal aus Indonesien wieder komme warten die Herzmenschen auf mich und es gibt keine schlechten Nachrichten, sondern vier strahlende Gesichter. Das fühlt sich wahnsinnig gut an!

Trotzdem kommt es mir so vor, als wenn ich seit diesem Zeitpunkt noch intensiver an dich denke. Ich merke immer mehr wie sehr Du fehlst. Selbst die Besuche im Heim, die ich nie mochte und den Geruch dort, den ich ehrlich gesagt hasste, vermisse ich. Alles würde ich wieder in Kauf nehmen, wenn ich dich dafür noch einmal besuchen könnte.

Als ich die letzte Woche erkältet war, erinnere ich mich daran, wie Du mich als Kind immer mit Wick eingecremt und mir in deiner bunten Schürze Kamillentee gekocht hast. Noch heute liebe ich daher den Geruch von Wick Vaporup 🙂 Selbst als ich bereits über 30 Jahre alt bin, hast Du mich immer wieder ermahnt ein Unterhemd zu tragen, weil ich mich sonst verkühle. Ich habe das bis zuletzt immer belächelt. Heute denke ich an dich, wenn ich kein wärmendes Unterhemd trage und stattdessen fröstle.

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Erinnerungen an Dich werden wach. So viele Momente, die ich bereits längst vergessen hatte. Und auch wenn es schwer ist, wünsche ich mir noch viele solcher Erinnerungen, denn Sie halten dich für mich lebendig.

Wenn ich bei Mama zum Essen bin und ich dein Bild auf dem Sideboard sehe, fühlt es sich so an, als seist Du mit dabei. Am Anfang fanden Mama und ich das wirklich seltsam, aber auch wenn es sich für Außenstehende komisch anhört, finde ich es mittlerweile einen sehr schönen Gedanken dich so in unserer Mitte zu haben.

Das erste mal in meinem Leben musste ich mit Dir einen geliebten Menschen gehen lassen und mir wird bewußt, dass der Satz „Man weiß etwas erst so richtig zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist.“ leider der Wahrheit entspricht.

Liebe Omi, noch war ich nicht am Meer. Aber spätestens im kommenden Jahr gehe ich an der Nordsee spazieren und dann werde ich Dich in Gedanken mitnehmen. Darauf freue ich mich sehr!

 

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