Der Pinzgauer Spaziergang gilt als einer der schönsten Höhenwege in ganz Österreich, mit fantastischen Aussichten auf die umliegende Bergwelt. Bei guter Sicht können die Eisgipfel der Hohen Tauern, der Großglockner, das Kitzsteinhorn oder der Großvenediger bewundert werden.
Der Pinzgauer Spaziergang gilt als verhältnismäßig leichter Wanderweg, da „nur“ 550 Höhenmeter (HM) zu bewältigen sind. Ein Spaziergang im eigentlichen Sinne, ist er aufgrund seiner Länge von 17 km aber trotzdem nicht. Ausdauer für eine solche Wanderung sollte also in jedem Fall vorhanden sein.
Nachdem ich ja bereits längere Etappen des Rothaarsteiges gewandert bin, traute ich mir den Pinzgauer Spaziergang in jedem Fall auch zu. Ferner reizten mich die wunderschönen Aussichten, die ich bei meiner Recherche daheim bereits auf Fotos bewundert hatte. Schon bevor ich nach Saalbach reiste, stand daher für mich fest: Bei gutem Wetter gehst Du den Pinzgauer Spaziergang.
Wer den Artikel Outdooraction in Saalbach Hinterglemm bereits gelesen hat, weiß, dass uns das Wetter leider nicht immer hold war. Nachdem ich die Wetter App gecheckt hatte, entschied ich, dass es am nächsten Tag los gehen sollte. Eine Regenwahrscheinlichkeit von 50% für zwei Stunden, kein Gewitter und die Sonne sollte sich ab und an blicken lassen. Das klingt doch nach gutem Wanderwetter!
Mit der ersten Gondel auf den Schattberg
Der Wecker klingelt erneut früh. Mein erster Blick nach dem Aufwachen fällt erneut auf die Wetter App. Super! Alles unverändert. Noch schnell mein Proviant und genügend Wasser eingepackt und los!
Ich will die erste Gondel des Schattberg X Press um 9.00 Uhr nehmen. Richtige Frühaufsteher nutzen die Möglichkeit der Frühfahrt zum Startpunkt (Montag – Freitag von 7:30 bis 7:40 Uhr, Ticket unbedingt am Vortag kaufen!).
Gemütlich bringt mich die Gondel den Berg hinauf. Je höher ich komme, desto nebliger wird es. Das kenne ich vom Vortag und mache mir keinen weiteren Gedanken. Das verzieht sich im Laufe des Tages denke ich und freue mich, als ich oben auf dem Schattberg ankomme.
Vom Schattberg wandere ich zunächst Richtung Westgipfel. Der Weg führt hinab, so dass ich recht zügig voran komme.
Noch ein Gipfel
Eh ich mich versehe besteige ich den Stemmerkogel. Ich habe wohl eine Wegmarkierung übersehen. Mist! Kurzzeitig überlege ich zurück zu gehen, entscheide mich aber wegen der Entfernung dagegen. Dann erklimme ich eben noch einen weiteren Gipfel. Gut für meine Bein- und Pomuskeln 😉
Noch beim Aufstieg auf den Gipfel beginnt es zu hageln. Das darf doch nicht wahr sein! Aber zumindest sind kleine Hagelkörner besser als Regen.
Ich bin wirklich eine Meisterin im positiven Denken! 🙂
Auf 2.123 m angekommen mache ich eine kurze Rast. Puhhh, das war anstrengend und die Sicht ist leider auch nicht wirklich besser geworden.
Beim Abstieg beginnt es dann doch zu regnen. Aber ich bin vorbereitet. Regenhose und -jacke angezogen und weiter geht es. Auf dem Weg kommt mir eine Frau entgegen, die Ihre Wanderung auf dem Pinzgauer Spaziergang wegen des Wetters abbricht. „Wenn man nichts sieht, kann ich auch wieder zurück gehen!“ Ich überlege kurz, ob ich mich ihr anschließen soll. Nee, ich vertraue meiner Wetterapp.
Leider wird der Regen auf dem weiteren Weg immer stärker. Als ich am Seetörl (Hacklbergseen) ankomme, überlege ich ernsthaft abzusteigen und die Wanderung abzubrechen. Das Törl liegt in der Nähe der Hacklberg Alm und zu verlockend ist die Aussicht auf eine warme Stube sowie ein schützendes Dach über dem Kopf.
Doch dann klart es plötzlich auf und die Sonne kommt durch. Innerhalb von wenigen Minuten sind meine Klamotten wieder trocken und die Sonne wärmt mein Gesicht. Auch die Wolken verziehen sich und geben den Blick auf die Berge und den blauen Himmel frei. Der vor mir liegende Weg Richtung Klingertörl ist besonders schön, auch wenn es bergauf geht. Herrlich!
Wetterumschwung in den Bergen
Am Klingertörl angekommen packe ich meine Brotzeit aus und mache eine kleine Rast. Es ist windig, aber die Aussicht auf die Hohen Tauern ist toll. Kaum bin ich wieder unterwegs wird es dunkler und es ziehen wieder Wolken auf. Ich passiere die Klingertörl Unterstandshütte und wandere weiter den Kamm des Hochsonnbergs entlang.
Donner!
Mein Herz bleibt stehen. Das ist jetzt bitte kein Gewitter! Ich bin mitten auf einer Bergwiese ohne irgendeinen Schutz! F*** Ich gehe schneller, schaue auf meine Kartenapp. Etwas weiter ist eine weitere Schutzhütte eingezeichnet. Ich gehe schneller, aber habe das Gefühl ich komme kaum voran.
Donner!
Mein Herz pocht. Ok, ruhig bleiben. Zumindest sehe ich ab und an ein paar Senken und ich bin nicht mehr unbedingt der höchste Punkt am Berg. Außerdem blitzt es noch nicht. Nach der nächsten Biegung soll die Schutzhütte kommen.
Nein! Das glaube ich jetzt nicht! Die Hütte an der Kammscharte ist umgekippt.
Wahrscheinlich aber mein Glück, denn es ist ebenfalls nur eine Unterstandshütte ohne Blitzableiter. Bei Gewitter also kein sicherer Ort. Es nützt nichts, ich muss weiter. Überall am Wegesrand suche ich mir Punkte, wo ich ggf. sicher bei einem akuten Gewitter sein könnte. Ich habe Angst, möchte jemanden anrufen – kein Netz. Warum bin ich nicht umgekehrt? Das Gewitter war nicht angesagt! Warum muss mir das jetzt passieren? Mir stehen die Tränen in den Augen. Ich achte auf den Abstand des Donners. Er ist gleichbleibend, bzw. wird länger. Das beruhigt mich etwas.
Nach einiger Zeit wird es auch wieder heller und es ist kein Donnergrollen mehr zu hören. Zeit durchzuatmen. Puhh! Jetzt spüre ich die Erschöpfung vom schnellen Gehen und der allgemeinen Anspannung. Die letzte Stunde kam mir vor wie eine Ewigkeit. Ich bleibe wachsam, habe die Wolken und die Umgebung stets im Blick.
Am Horizont hängen die Wolken tief im Tal und auf der Wiese grasen ein paar Pferde. Ich packe die Kamera wieder aus und fotografiere dieses idyllische Szene und wandere im Wohlfühltempo weiter. Kurze Zeit später liegt die Hochsonnbergalm unter mir und ich sehe Menschen. Erleichterung! Wieder ist die Versuchung groß abzusteigen. Mich würde bestimmt jemand ins Tal hinab bringen, denke ich.
Ach, Yvi, es ist wieder besseres Wetter und das letzte Stück schaffst Du jetzt auch noch, motiviere ich mich selbst.
Die Schmittenbahn fest im Blick
Über den Kettingkopf wandere ich also weiter meinem Ziel entgegen: Die Bergstation der Schmittenbahn, welche bereits in Sichtweite ist. Juhuu, auch wenn der Wegweiser noch 45 Minuten Wanderzeit angibt, freue ich mich riesig.
Der letzte Anstieg ist mit steilen 200 HM nochmal richtig knackig und auch der Nebel wird wieder dichter. Die Bergstation ist vom Nebel verhüllt und nicht mehr zu sehen. Ich navigiere jetzt mit meiner Wanderapp, weil ich mich in keinem Fall kurz vorm Ziel noch einmal verlaufen möchte. Als ich stehen bleibe, um eine kurze Pause zu machen, höre ich Schritte.
Ein älterer Herr gesellt sich zu mir. „Komm, bald ist es geschafft!“
„Nix ist geschafft! Ich habe bereits 17 km hinter mir! Ich bin ko und möchte nur noch ankommen!“
“ Oh, kommst aus Saalbach? – Wow! Komm, dann gehen wir das letzte Stück gemeinsam“
Der Mann wollte eigentlich nach Saalbach, aber ist aufgrund des Gewitters umgekehrt. Seine Erzählungen lenken mich vom steilen Anstieg ab und schneller als gedacht, haben wir es geschafft. 30 Minuten dauert es noch bis zur nächsten Talfahrt der Schmittenbahn. (Betriebszeiten beachten!) Ich bestelle ein Bier und bin so froh über die Wechselklamotten in meinem Rucksack. Eingemummelt in meine warme, trockene Fleecejacke und mit einem Bier in der Hand, sitze ich einfach da und bin so froh wie nie zu vor am Ziel angekommen zu sein.
Beim Zugang zur Gondel, suche ich meine Joker Card, aber die will der Gondelfahrer gar nicht sehen. Er hat mitbekommen, dass ich aus Saalbach komme und winkt mich mit „Respekt!“ und einem freundlichen Lächeln einfach durch.
Aus Saalbach kommend ist mit der Joker Card die Fahrt mit der Schmittenbahn ins Tal übrigens inklusive.
In Zell am See angekommen, bringt mich der Postbus in knapp 30 Minuten wieder zurück nach Saalbach Hinterglemm (Kosten ca. EUR 5,40).
Das war in jedem Fall eine der abenteuerlichsten Wanderungen, die ich bisher gemacht habe – Adrenalinkick inklusive. Ich musste am eigenen Leib erfahren, dass das Wetter in den Bergen wahnsinnig schnell umschlagen kann. Darauf solltet Ihr vorbereitet sein! Von Eurer Ausrüstung her und auch solltet ihr wissen, welches Verhalten bei Gewitter in den Bergen am Besten ist.
Trotz des Gewitters, war die Wanderung ein landschaftliches Erlebnis. Sind normalerweise die Gipfel die Höhepunkte einer jeden Bergwanderung, sind es beim Pinzgauer Spaziergang definitiv die Ausblicke, die ein ständiges Hochgefühl bescheren. Ich kann nur erahnen wie toll die Wanderung erst bei klarer Sicht gewesen sein müsste. Wem die 550 Höhenmeter zu wenig sind, der kann den Pinzgauer Spaziergang um einige Gipfelbesteigungen erweitern und so Schwierigkeit und die Gesamthöhenmeter schnell um ein Vielfaches erhöhen.
Ihr möchtet den Pinzgauer Spaziergang ebenfalls wandern: Ich habe die Wanderung mit Komoot aufgezeichnet. Wichtig in jedem Fall: Genügend Wasser und Proviant einpacken, da erst am Ende der Wanderung bewirtschaftete Hütten zu finden sind.
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Die Wanderung habe ich im Rahmen der #Storybase2018 unternommen.